Training

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23.02.2023

Therapie = Training

Therapie = Training

Über Leistungsfaktoren, Belastungsnormative und Trainingsprinzipien

Der Weg, der in der medizinischen Therapie und im sportlichen Training beschritten wird, ist grundlegend derselbe. Bedeutet: Therapie und Training ist dasselbe. In diesem Artikel beschäftigt sich Kay Bartrow mit den Schnittmengen der beiden Ansätze, die für ihn das gleiche Ziel haben.

In beiden Fällen geht es um die Verbesserung körperlicher Fähigkeiten und die Definition von Training bestätigt diese These: „Training ist die Summe aller geplanter und gezielt eingesetzter Maßnahmen zur Verbesserung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit.“

Diese Definition kann exakt so auch für die Belange der medizinischen Therapie übernommen werden. Vergleicht man die häufigsten Ziele, die in einem therapeutischen Kontext formuliert werden, mit denen in einem sportlichen Training, fällt schnell auf, dass auch diese häufig identisch sind (siehe dazu Tab.1).

Ausgangsposition & Dosierung

Die einzigen Unterschiede liegen einmal in der Ausgangssituation und in der Dosierung der Intensität. In der Therapie zeigt sich die Situation meist durch Vorhandensein von Symptomen und krankhaften Veränderungen. Patienten kommen mit einer vorrangig medizinisch geprägten Problemstellung und wenn nach einem Therapieziel gefragt wird, hört man häufig „Es soll wieder so werden wie vorher“, oder etwas Ähnliches.

Patienten müssen etwas verändern

Dabei hat die Situation von vorher genau in diese Misere und die Erkrankung mit den aktuellen Symptomen geführt. Also ist eine Rückkehr in diesen alten und vorherigen Zustand eigentlich nicht erstrebenswert. Patienten müssen bessere Menschen werden – zumindest körperlich besser als vorher.

Denn die vorherige Art der Lebensführung (Verhalten, Wissen, Überzeugungen, Trainingszustand, Motivation, Stress, etc.), hat den Patienten in diese körperlich symptomhafte Situation geführt. Bei einer Rückkehr zum alten Status quo ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis sich dieselben, oder zumindest ähnliche Symptome, erneut einstellen.

Dazu braucht es zunächst therapeutische Strategien, um die Symptome zu kontrollieren und zu eliminieren. Danach sollte die Strategie auf Nachhaltigkeit umgestellt werden und es sollten geeignete Schritte eingeleitet werden, die den Patienten in eine aktivere und bewegtere Zukunft leiten. Der Mensch muss sich bewegen, im besten Fall Sport machen.

Erst Therapie, dann Training

Im sportlichen Trainingsbereich sind diese kurativen Schritte zur Reduktion von Symptomen und anderen Krankheitsauswirkungen nicht nötig. Sportler arbeiten direkt daran, ihre Kraft, Ausdauer oder Beweglichkeit sportartspezifisch, durch gezieltes Training, zu verbessern. Also könnte man durchaus sagen, dass das sportliche Training da beginnen kann, wo die Therapie den Weg bereitet hat und nun aufhört.

Wir hätten gerne eine Transformation bei unseren Patienten: vom therapiebedürftigen Patienten hin zum trainingswilligen Menschen. Was dann letztendlich als sportliches Betätigungsfeld ausgewählt wird, ist letztlich unerheblich. Jede Bewegung zählt und bringt den Mensch weiter weg von Krankheit und Einschränkung im Alltag.

Verbesserung der Leistungsfähigkeit

Sowohl in der medizinischen Therapie, als auch in sportlichem Training geht es primär um die Veränderung körperlicher Bedingungen und Fähigkeiten. Vor allem aber um die Verbesserung von körperlichen Leistungsfaktoren (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination).

Um dies zu erreichen, müssen die Gesetzmäßigkeiten der Trainingswissenschaften ein- und umgesetzt werden. Diese definieren den Grad der Bio-Adaptabilität und gelten generell alters- und geschlechterunabhängig. Zudem sind diese Trainingsgesetze auch nahezu unabhängig vom aktuellen Trainingszustand oder von Erkrankungen. Die Bioadaptabilität bestimmenden Gesetze interessiert es wenig, ob sie in einem therapeutischen oder trainingstechnischen Kontext eingesetzt werden. Sie gelten ganz einfach immer.

Leistungsfaktoren und Trainierbarkeit

Körperliche Leistungsfaktoren haben unterschiedliche Trainingspotenziale und werden in der Trainingsgestaltung unterschiedlich gewichtet (je nach Wunsch des Patienten/ Kunden). Die Ausdauer ist mit einer möglichen Steigerungsrate von bis zu 1.500% der am einfachsten zu trainierende Faktor. Hier genügen bereits Intensitäten von 25 – 50% der Maximalkraft, um Anpassungsreaktionen der Ermüdungswiderstandsfähigkeit (Ausdauer) zu erzielen.

Der Kraftbereich ist immerhin noch mit einer Steigerungsrate von bis zu 360% ein sehr gut zu trainierender Leistungsfaktor.

Schnelligkeit ist primär genetisch prädisponiert und somit erst einmal abhängig vom mengenmäßigen Anteilsverhältnis zwischen fast twitch und slow twitch Fasern in der Muskulatur.

Die Reaktionsfähigkeit (auch Reaktionsschnelligkeit) des Nervensystems ist wiederum trainierbar. In diesen Bereich fallen auch koordinative Fähigkeiten. Die Beweglichkeit des Körpers kann gut trainiert werden, ist aber auch abhängig von einer Vielzahl an biologischen Vorbedingungen, wie z.B. Elastizität des Bindegewebes, Tonusregulation der Muskulatur und Beweglichkeit der Gelenke.

Ohne Reiz keine Wirkung

Trainingsprinzipien gelten übergreifend für Therapie und Training. Der therapeutische und trainingstechnische Grundgedanke besteht immer darin, mit den applizierten Reizen eine entsprechende Anpassungsreaktion des Körpers auszulösen. Dazu muss der Therapie- oder Trainingsreiz allerdings erstmal so hoch dosiert sein, dass der Körper sich angesprochen fühlt und reagiert. Der Reiz muss einen bestimmten Schwellwert übersteigen, um therapie- oder trainingswirksam zu werden.

Auf jede Belastung (auch wieder in Therapie und Training), reagiert der Organismus zunächst mit einer Ermüdung. In diesem Zustand ist der Körper geringer belastbar, er hat eine reduzierte Leistungsfähigkeit. Mit ausreichender Pausendauer erfolgt danach eine Regeneration über den ursprünglichen Leistungsstand hinaus (die Superkompensation), was zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit in den Leistungsfaktoren führt. Diese Gegenreaktion des Organismus muss immer wieder erarbeitete werden, denn der Schwellwert, ab dem ein Reiz trainingswirksam wird, steigt mit zunehmender Trainingszeit.

Je trainierter ein Mensch ist, desto intensiver müssen die Trainingsreize werden, um noch eine Anpassung auszulösen. Um diese Anpassungen effektiv auslösen zu können und den Körper immer wieder gezielt aus dem Gleichgewicht zu bringen, helfen die Belastungsnormative (Reizdauer, Reizintensität, Reizhäufigkeit, Reizdichte, Reizumfang und Trainingshäufigkeit).

Die Dosis entscheidet

Auch die Belastungsnormative haben, sowohl in der Therapie als auch im Training, Gültigkeit und regeln das Feintuning in der Trainings- und Therapiegestaltung. Mit ihnen wird wesentlich die Intensität und der Trainingsbereich (Ausdauer, Kraft, Hypertrophie oder Intramuskuläres Training) festgelegt. Das Fazit lautet also: Therapie = Training, nur die Dosis entscheidet.

Kay Bartrow

Bild: ©shutterstock_1067441990


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